Ritter, Tod und Teufel:
Neues für die Fans historischer Romane
Hamburg (dpa) - Für historische Romane scheinen die goldenen Zeiten
vorbei zu sein. Zwar gibt es immer noch einige Bücher dieses Genres auf
den Bestsellerlisten - unter ihnen natürlich auch "Die Leopardin",
das neue Buch von Superstar Ken Follett, doch in den Verlagskatalogen dieses
Winters muss man historische Romane mit der Lupe suchen. Anders als Krimis,
von denen wieder unzählige auf den Markt gekommen sind. Dabei finden
die spannenden Abenteuer vor allem aus dem Mittelalter nach wie vor ihre Leserschaft.
Das
wird auch durch den Erfolg von Diana Gabaldon deutlich: Der fünfte Band
ihrer Highland-Saga "Das flammende Kreuz" hat der ehemaligen Meeresbiologien
aus Amerika wieder einen Riesenerfolg beschert - und dies, obwohl der Schmöker
mehr als 1200 Seiten aufweist."Das Pesttuch" , ein Roman der Amerikanerin
Geraldine Brooks gehört in dieser Säson sicher zu den anspruchvollsten
Büchern dieser Art. Es handelt von Leben in einem kleinen englischen
Dorf in der frühen Neuzeit: Eines Tages überfällt die Pest
diese kleine Gemeinschaft, und die Bewohner versuchen, mit dieser Geisel fertig
zu werden.
Mit einer
flammenden Rede von der Kanzel herab war es dem Pfarrer nämlich gelungen,
seine Schäflein davon zu überzeugen, dass sie sich solange von der
Außenwelt abschirmen, bis die Seuche gebannt ist. Während die einen
angesichts dieser Prüfung über sich hinaus wachsen, fliehen andere
die Gefahr als Sünder und Feiglinge. Erzählt wird die Geschichte
von der jungen Anna Frith, die in diesem Jahr der selbst erwählten Isolation
zu einer starken und selbstbewussten Frau heran wächst.
Den Kern seines
neuesten Romans "Die Principessa" fand der Tübinger Autor Peter
Prange auf einem Stadtrundgang durchs sommerlich heiße Rom. Der Vierströmebrunnen
auf der Piazza Navona hatte es ihm angetan, mehr noch die Geschichte seiner
berühmten Bauherrn, Borromini und Bernini, die dem barocken Rom einst
ihren unverkennbaren Stempel aufgedrückt haben. Prange erzählt nun
die Geschichte der beiden, doch im Mittelpunkt des Romans steht eine Frau:
Die junge englische Adlige trifft im Jahr 1623 in Rom ein. Sie begegnet den
beiden Baumeistern, und für die drei wird diese Begegnung zum Schicksal.
Prange erzählt hier - untermalt mit prächtigen Bildern - große
Geschichten aus der Historie. Bekannt wurde der Autor, der Philosophie studiert
hat, bereits mit mehreren historischen Romanen, darunter den deutsch-deutschen
Roman "Das Bernstein-Amulett".
In das karolingische
Zeitalter entführt Thomas R. P. Mielke die Leser mit seinem fulminanten
Buch "Orlando Furioso". Der bekannte Autor historischer Romane hat
sich die 500 Jahre alte Geschichte von "Rasenden Roland" vorgenommen
und sie für unsere Zeit neu erzählt. Orlando, der erste Paladin
Karls des Großen, ist schwer verliebt in die Königstochter Angelica.
Da ihr aber nachgesagt wird, die schönste Frau zu sein, die je die Welt
erblickte, muss sich der Held mit vielen Rivalen und im Irrgarten der Liebe
mit Hexen und Zauberern, Nymphen und Dämonen auseinander setzen.
Und wie alle
Ritter des Kaisers kämpft auch Orlando gegen ein sarazenisches Heer,
das Frankreich bedroht. Mielke landete mit mehreren seiner Epen - unter anderem
mit "Gilgamesch, König von Uruk" - monatelang auf den Bestsellerlisten.
Sein neues Buch lebt nicht nur vom Zauber der Geschichte, sondern auch von
der Stilsicherheit und Phantasie des Autors. Leicht zu lesen ist das Buch
allerdings nicht.
Erinnerungen
an Umberto Ecos "Der Name der Rose" kommen auf, liest man den Thriller
"Die Heilerin von Canterbury und die Bruderschaft des Todes". Denn
auch in dem Historien-Krimi von Celia Grace richten fromme Herren in klösterlicher
Abgeschiedenheit allerlei Unheil an. Wir kehren zurück nach England im
15. Jahrhundert: Roger Atworth ist gestorben, doch die Umstände des Todes
vom Beichtvater der Königin Cecily von York sind äußerst mysteriös.
Erst eine Heil- und Pflanzenkundige wie Kathryn Swinbrooke kommt in mühevoller
Kleinarbeit darauf, was es mit den angeblichen heiligen Stigmata der Leiche
auf sich hat. Grace schwelgt in der zeit, über die sie schreibt: Vom
Mobiliar bis zur Brosche am Hemd - die Schriststellerin zeigt sich kundig
und im Besitz einer blühenden Phantasie. Der intrigenreiche Konflikt
zwischen den Häusern York und Lancaster ist hervorragend recherchiert,
so ausgeklügelt wirken die politischen und kriegerischen Auseinandersetzungen,
die den Hintergrund des spanndenden Romans bilden.
Schlicht "Q"
heisst ein fast 800 Seiten dicker historischer Roman, der in seinem Ursprungsland
Italien für Furore gesorgt hat: Denn man rätselte geraume Zeit,
wer hinter dem Autoren-Pseudonym Luther Blissett stecken mag. Die Medien bohrten
nach und stießen auf vier junge Autoren aus Bologna, die den Roman zusammen
geschrieben haben. Sie verkündeten mit diesem Schritt das Ende der traditionellen
Autorenschaft. "Q" ist eine Herausforderung für den Leser,
ein Werk, das verschiedene Gattungen aufnimmt und aus verschiedenen Textformen,
aus zeitlich ineinander verschachtelten Erzählungen, Berichten, Briefen
und Traktaten besteht. Deshalb erfordert die Lektüre viel Geduld. Das
Buch handelt von der deutschen Reformation und umspannt vierzig Jahre im 16.
Jahrhundert. Im Zentrum stehen ein namenloser junger Theologiestudent, Anführer
der Häretiker, und sein unsichtbarer Feind "Q", Statthalter
des Papstes. Eine Hommage an die Geschichte, die von der namenlosen Masse
geschrieben wird, sei der historische Thriller, so seine Verfasser, ohne Bedeutung
daher die Namen derer, die "Q" geschrieben haben.
Luther Blissett Q
Piper
Verlag, München 798
S. Euro 22,90 ISBN
3-492-04218-X